Meine abenteuerliche Ankunft - Alltägliches - Allgemeine Eindrücke - Allgemeine Tipps - Reisetipps

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Mein Praktikum in Izmir

Meine abenteuerliche Ankunft

In Sommer 1991 vermittelte mir AIESEC Heidelberg ein Praktikum bei einer Chemiefirma in Izmir. Da ich zunächst einige Bedenken hatte, als Frau allein in die Türkei zu reisen, flog ich mit gemischten Gefühlen am Samstag, dem 13. Juli 1991, um ca. 23 Uhr in Frankfurt ab. Leider hatte ich nur noch einen Flug zu dieser ungünstigen Zeit bekommen können, aber der Izmir L.C.R.O. (local committee reception officer) hatte mir auf meine Anfrage versprochen, mich trotzdem abzuholen. Ich kam also gegen 3 Uhr nachts an - und es war niemand da. Nachdem ich einige Zeit suchend und fragend herumgelaufen war, bot mir ein Türke, der einige Jahre in Deutschland gelebt hatte und seinen Bruder abholen wollte, der in Heidelberg (!) studierte, seine Hilfe an. Das AIESEC-Büro war natürlich nicht zu erreichen, und bei der Nummer des L.C.P. (local committee president) meldete sich nur der Anrufbeantworter. Nach einer Stunde war schließlich immer noch niemand von AIESEC erschienen, und ich nahm nach kurzem Zögern das Angebot meines neuen Bekannten an, mit zu seiner Tante zu kommen, die in Izmir wohnt. Er selbst und sein Bruder fuhren am nächsten Tag nach Hause in eine rund 150 km entfernte Stadt.

So kam es, dass ich meinen ersten Tag in der Türkei bei einer türkischen Familie verbrachte, in der alle nur türkisch sprachen. Sie waren aber sehr freundlich zu mir, verständigten sich mit mir mit Hand und Fuß und haben immer wieder versucht, für mich jemanden von AIESEC zu erreichen, was Montag mittag schließlich auch gelang. Eine derartige Gastfreundschaft habe ich noch nirgendwo erlebt! Und ich war auch kein Einzelfall. Einer anderen deutschen Praktikantin in Ankara ist fast das Gleiche passiert. Auch sie verbrachte ihren ersten Tag bei einer türkischen Familie. Der L.C.R.O. war leider nicht immer ganz zuverlässig.

Alltägliches

Davon abgesehen hat sich das örtliche AIESEC-Kommittee aber sehr viel Mühe mit uns gegeben. Das Büro war immer von 12 bis 17 Uhr offen, und wir haben viel gemeinsam unternommen, so dass alle Praktikanten sehr zufrieden mit ihrer Zeit in Izmir waren. Auch die Leute waren durchweg freundlich: Wenn man nach irgend etwas fragt, sind sie bemüht zu helfen, auch wenn sie keine Fremdsprache sprechen. Und ich hätte mich auch nicht sorgen zu müssen, alleine als Frau in der Türkei zu sein. Ich bin oft alleine unterwegs gewesen, habe auch sechs Tage allein in Istanbul verbracht und wurde zwar ab und zu dumm angesprochen, aber ansonsten nicht belästigt. Dennoch sollte man natürlich zum Beispiel in Istanbul, wie in anderen Großstädten auch, und ganz besonders in abgelegenen Vierteln, immer besonders vorsichtig sein (zwei Praktikanten wurden dort bedroht bzw. belästigt).

Völlig chaotisch ist in der Türkei der Verkehr. Es ist manchmal ohne Übertreibung lebensgefährlich, die Straße zu überqueren. Ist man unaufmerksam, halten die Autos    n i c h t   -  vor allem keine Taxis oder Busse. Die Busse sind aber normalerweise ein recht zuverlässiges Transportmittel. In den Städten gibt es Dolmuse, Kleinbusse, die abfahren und anhalten, wo man will. Billig sind sie auch. Es gibt jedoch keinen festen Fahrplan, was am Anfang etwas verwirrend ist. Sehr pünktlich war hingegen der Firmenbus, der mich jeden Morgen zur Arbeit und abends wieder ins Zentrum von Izmir brachte und den die Arbeitnehmer kostenlos benutzen konnten. Der Busfahrer hielt sogar morgens an einem verabredeten Halteplatz, zu dem ich nur wenige Minuten zu Laufen hatte und an dem außer mir niemand einstieg. Auch alle Ausflüge machten wir mit dem Bus (immer nach Studentenermäßigung fragen, auch wenn man keinen internationalen Studentenausweis besitzt!) und fanden überall auch eine billige Pension (manchmal fand auch die Pension uns). Allerdings gab es 1991 nach Ansicht der Leute vor Ort "so wenige Touristen" wegen des Golfkrieges - für meinen Geschmack waren es genug. Ich hatte mir während des Praktikums eine Woche freigenommen und fuhr in die Gegend von Antalya. Dort trifft man sehr viele Deutsche und deutsch sprechende Türken. Vor allem Alanya ist ganz auf deutschsprachige Besucher eingestellt: "echt deutsches Frühstück", "Schweizer Konditorei" und dazu alte deutsche Schlagermusik ... Man macht sich übrigens schnell beliebt, wenn man sagt, dass man lieber türkische Musik hören möchte.

Buchhaltungsabteilung bei DYO ve Sadolin

Das Praktikum selbst war leider etwas enttäuschend. DYO ve SADOLIN ist eine Firma, die Farben und Druckertinte herstellt. In der Buchhaltung, wo ich beschäftigt war, waren zwar alle sehr zuverkommend, aber leider sprach dort fast niemand englisch, deutsch oder französisch, und es gab fast nie etwas zu tun. Meistens schlug ich mir mit Lesen einfach nur die Zeit tot. Eine Woche lang war ich in der Importabteilung, wo es mir besser gefiel, denn dort hatte ich keine Verständigungsprobleme. Trotz allem waren meine Kollegen bei DYO sehr nett, und ich war erstaunt über die lockere Arbeitsatmosphäre. Der Leiter der Importabteilung hat mir z. B. von seiner AIESEC-Zeit vor zwanzig Jahren erzählt und mir Urlaubsbilder vom Schwarzen Meer gezeigt. Einige Praktikanten hatten außerdem das Glück, zu einer türkischen Hochzeit oder über das Wochenende eingeladen zu werden.

Sehr angenehm überrascht war ich auch von der Kantine, die für alle Beschäftigten frei war und fast ausnahmslos gutes Essen servierte. Wie im übrigen Mittelmeerraum isst man auch in der Türkei viel Gemüse, z. B. Auberginen und Tomaten, und es gibt viele Gerichte mit Hackfleisch, gefüllte Teigtaschen, gefüllte Paprika etc. Zu jedem Essen wurde bei DYO Naturjoghurt serviert, was bei dem heißen und feuchten Wetter sehr erfrischend war. Diesen isst man in der Türkei zum Hauptgericht. Manchmal, wenn es zum Beispiel als Dessert einen Pfirsich gab, habe ich mir den Joghurt aufgehoben und den Pfirsich hineingeschnitten, was mir einige verwunderte Blicke eingetragen hat. Aus Joghurt stellt man in der Türkei auch ein typisches Getränk her: Ayran, das in Türkei zum Essen oder auch am Strand serviert wird und gut tut, wenn man viel schwitzt. An heißen Tagen mache ich es mir seitdem häufig auch zu Hause: Man nimmt je zur Hälfte Joghurt und Leitungswasser und viel Salz und verrührt dies mit dem Schneebesen oder Pürierstab.

Allgemeine Eindrücke

Einer der Hauptvorteile eines AIESEC-Praktikums ist es, Menschen aus den unterschiedlichsten Ländern kennenzulernen, in meinem Fall aus der Türkei, Spanien, Portugal, Frankreich, Belgien, Italien, Tschechien, Dänemark, Finnland, Norwegen, England, Kanada, Mexiko, Israel und natürlich Deutschland. Die Wochenenden verbrachten wir meist gemeinsam. Ab und zu haben ein oder zwei AIESEC-Kommittees Touren organisiert, z. B. die Holiday Tour an die Südküste oder die Cappadocia Tour; ansonsten haben wir Praktikanten selbst Pläne gemacht. Die Türkei ist landschaftlich sehr vielfältig, und es gibt viele antike Städte, so dass die Auswahl schwer fällt. Unter der Woche haben wir uns jeden Tag nach der Arbeit im AIESEC-Büro getroffen und für den Abend verabredet.

Ich würde jedem empfehlen, ein AIESEC-Praktikum zu machen, dem es weniger darauf ankommt, einen direkten fachlichen Nutzen aus dem Auslandspraktikum zu ziehen, als vielmehr ein fremdes Land und interessante Menschen kennenzulernen. Bei einem solchen Aufenthalt kann man auch manches Vorurteil revidieren, beispielsweise muss man differenzieren, wenn man über die Rückständigkeit der Türkei spricht - es gibt dort riesige Unterschiede zwischen West- und Osttürkei und zwischen Stadt und Land. Izmir z. B. ist eine sehr moderne und westliche Stadt. Einige Leute waren sehr aufgeschlossen, und man kann über fast alles reden - nur mit Kritik gegen den Staatsgründer Atatürk oder den Kult, den die Türken um ihn machen, sollte man sich besser zurückhalten, denn fast alle Türken, die ich getroffen habe, sind sehr stolz auf ihr Land und auf Atatürk. So hängt in jedem öffentlichen Raum, auch in Hotels und Büros, mindestens ein Bild von Atatürk, und zumeist sieht es auch noch recht kitschig aus.

Was noch auffällt, und zwar unangenehm, ist die Allgegenwärtigkeit von Polizei und Militär. Als ich nachts nach zwölf Uhr einmal mit einem anderen Praktikanten am Meer saß (fünf Minuten von unserer Pension entfernt), fragte uns die Polizei, was wir denn machten, und auf der Suche nach einem Restaurant sind wir sogar von einem Streifenwagen zu einem Lokal gefahren worden. In solchen Momenten fühlte ich mich beobachtet, und es kam mir wieder zu Bewußtsein, dass die Türkei kein freies Land ist.

Als Kritikpunkt möchte ich außerdem noch unsere Pension erwähnen, denn in "Deniz Pansiyon" war es aufgrund der Hitze und des Lärms fast unmöglich zu schlafen. Ein Praktikant musste sein Zimmer mit fünf jungen Türken teilen, die nachts um ein Uhr manchmal Kissenschlachten u. Ä. veranstalteten. Den Lärm habe ich noch zwei Stockwerke tiefer gehört. Ein anderer hatte einen Holzwurm im Bett und eine Maus im Zimmer, mir wurden Fön und Wecker gestohlen ... Am Schluß haben auf jeden Fall alle fluchtartig die Pension verlassen, einer bereits nach einer Nacht, und sich ein Zimmer oder eine Wohnung gesucht. Die AIESEC-Leute aus Izmir versicherten uns aber, sie würden nie wieder Praktikanten in diese Pension schicken.

Mir hat es in den zehn Wochen sehr gut gefallen, denn ich habe das Arbeiten in einem fremden Land kennengelernt und in meiner Freizeit viel mit anderen internationalen Studenten unternommen. Zudem ist die Türkei ein wunderschönes Land, und auch Izmir gefiel mir sehr.

Noch ein paar Tipps: Ich habe mir oft gewünscht, etwas mehr türkisch zu können als nur ein paar Worte und würde jedem raten, sich vorher ein Türkischbuch oder zumindest ein Wörterbuch zu kaufen und vor der Reise schon einige Wendungen zu erlernen. Zudem würde ich versuchen, vor Praktikumsbeginn die Adresse der Pension herauszubekommen. Ein Tipp zur Finanzierung: Genug Geld für die Reisen etc. von zu Hause mitbringen, denn bis auf zwei Ausnahmen haben wir alle nur den sehr geringen staatlich festgelegten Mindestlohn - damals zwischen 100 und 150 US-$ im Monat - verdient.

Weitere nützliche Informationen und Eindrücke über die Türkei liefern folgende Seiten:

Reisetipps für die Türkei

Abschließend noch ein paar Reisetipps:


Alanya
Alanya

Weniger gefallen haben mir dagegen Kusadasi, Bodrum, Pamukkale und Alanya, die sehr touristisch und überfüllt waren. Abseits vom Touristenschwarm besitzt Alanya allerdings ein schönes altes Zentrum, und im Restaurant "DOREMI" habe ich ein fantastisches Menü gegessen.


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Verantwortlich: Jutta Walz.
Letzte Änderung am 26.3.2003.
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