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Meine Auslandssemester in Baton Rouge

LSU
Louisiana State University:
Memorial Tower

Von August 1992 bis Juli 1993 verbrachte ich zwei Auslandssemester an der Louisiana State University (LSU) in Baton Rouge, Louisiana. Die LSU ist eine Partneruniversität der Uni Heidelberg, an der derzeit rund 30.000 Studenten eingeschrieben sind; jedes Jahr kommen zwei Heidelberger Studenten nach Baton Rouge und zwei Studenten aus Baton Rouge nach Heidelberg. Die deutschen Austauschstudenten erhalten ein Teilstipendium, das einen Teil der Lebenshaltungskosten abdeckt, sowie einen Erlass der Studiengebühren.

Erste Eindrücke

In den ersten Tagen und Wochen war sehr vieles ungewohnt:

Überrascht war ich auch von der hohen Anzahl deutscher Studenten an der LSU, der zweitgrößten Gruppe ausländischer Studenten nach den Indern. Überhaupt war die Studentenschaft sehr international, was für mich auch einen besonderen Reiz meines dortigen Aufenthaltes ausmachte, da ich Leute aus aller Welt kennenlernte.

Eine günstige Wohnung in Campusnähe war erfreulicherweise innerhalb weniger Tage zu finden; ich bezahlte für mein 2-Zimmer-Apartment mit Küche und Bad nur 190 $. Sehr praktisch fand ich, dass die Wohnungen dort üblicherweise ein walk-in closet besitzen, einen kleinen Raum mit Fächern und Kleiderstange, in dem ich neben meinen gesamten Kleidern auch Koffer, Taschen und Bügelbrett unterbringen konnte. Man sollte aber bei der Wahl der Wohnung unbedingt darauf achten, dass sie in einem sicheren Wohnviertel liegt, denn die Kriminalität in Baton Rouge ist sehr hoch. Während meines Aufenthalts gab es beispielsweise eine Schießerei auf dem Unigelände, und ein Student, der in einem Studentenwohnheim lebte, das sich direkt neben einem ärmeren Wohnviertel befindet, wurde auf dem dortigen Parkplatz entführt und ermordet. Fatalerweise grenzen "gute" und "schlechte" Viertel oft direkt aneinander, und wenn man sich nicht auskennt und den Weg in eine unbekannte Nebenstraße einschlägt, kann man sich plötzlich in einer sehr unsicheren Gegend befinden. Kurz nach meiner Ankunft kam es auch zu dem tragischen Todesfall, bei dem ein japanischer Austauschstudent erschossen wurde, weil er an Halloween maskiert unterwegs war, am falschen Haus klingelte und den Ausdruck "freeze" (stehen bleiben!) nicht verstand.

Fortbewegung: Die meisten internationalen Studenten haben sich ziemlich schnell ein Auto gekauft, denn im Süden der USA ist es leider so, dass man ohne Auto und insbesondere ohne die Louisiana Driver's Licence nur ein halber Mensch ist und als Fahrradfahrer auf öffentlichen Straßen als Freiwild betrachtet wird (ich hab's dennoch ein Jahr lang ohne den Führerschein und mit dem Fahrrad bewältigt); es gibt auch kostenlose Campusbusse für Studenten, der letzte fährt jedoch gegen 17.15 Uhr an der Uni ab.

Kurz nach Semesterbeginn wurde Louisiana vom Hurrikan "Andrew" getroffen. Die Stromversorgung brach zusammen, nur noch das Telefon funktionierte, und wenige der Nichtortsansässigen hatten rechtzeitig Kerzen und Batterien besorgt. Ich erinnere mich noch lebhaft an eine Kerzenscheinparty der deutschen Studenten bei der einzigen WG, die Batterien und somit ein funktionierendes Radio besaß.

LSU-Football-Stadium

Ein weiteres besonderes Erlebnis war der Besuch eines Football-Spiels im lokalen Sportstadium (siehe nebenstehendes Foto). Die LSU ist mächtig stolz auf ihre Football- und Basketballspieler, die "LSU Tigers", deren Maskottchen, ein Tiger, vor jedem Spiel im Stadium präsentiert wird, und überall gibt es T-Shirts, Schirme und andere Souvenirs in lila und gold, den Farben des Teams.


Meine Kurse

Meine Kurse konnte ich an der LSU vollkommen frei wählen. Ich belegte:

Für jeden dieser Kurse musste man an einer Midterm- und einer Endterm-Klausur teilnehmen. In den beiden VWL-Seminaren waren darüber hinaus Seminararbeiten vorzutragen und einzureichen, in denen der Vorlesungsstoff auf jeweils ein konkretes Beispiel angewandt wurde. Meine Themen waren "Changes in Property Rights to Alligators in Louisiana" und "Professors and Contractual Choice".

In dem Lektürekurs behandelten wir sechs Klassiker der amerikanischen Literatur: James Fenimore Cooper, The Last of the Mohicans, Nathaniel Hawthorne, The Scarlet Letter, Herman Melville, Moby-Dick, Henry James, The American, Kate Chopin, The Awakening und Mark Twain, Pudd'nhead Wilson. Dieser Kurs war ganz besonders arbeitsintensiv. Zwar wurde kein Referat und keine Seminararbeit verlangt, wie dies in Heidelberg üblich ist, doch musste man zwei Klausuren schreiben und umfangreiche handschriftliche Hausaufgaben anfertigen, wobei zu jedem Roman eine Zusammenstellung der ersten Eindrücke beim Lesen, ein Aufsatz von 5 bis 10 Seiten über ein selbstgewähltes, aber zentrales Thema des jeweiligen Werkes und ein Kommentar zu einem kritischen Aufsatz zum Buch abzuliefern waren. Diese Hausaufgaben waren an drei Terminen während des Semesters fällig; und die Nächte vor diesen Abgabeterminen waren die einzigen Male während meines Studiums, an denen ich ohne Pause die ganze Nacht durcharbeitete, um mein Pensum zu erfüllen. Andererseits lernte ich aber in diesem Kurs sehr vieles, was mir für mein späteres Studium nützlich war, insbesondere das kritische Lesen von Primär- und Sekundärliteratur. Ähnliches gilt auch für meine Kurse bei Prof. Lueck. Und die Ökonometrie-Vorlesungen bei Prof. Hill bildeten später in Heidelberg eine wichtige Grundlage für meine Seminar-, Diplom- und Doktorarbeit in VWL. Mein Seminar über amerikanische Literatur des 19. Jahrhunderts wurde mir zudem am Anglistischen Seminar der Uni Heidelberg als Proseminar II anerkannt.

Allgemeines

beim Crawfish-Essen
ein von der European Student Association organisiertes Crawfish-Essen
 

Obwohl ich durch Vorlesungen ziemlich eingespannt war, verlebte ich eine schöne und aufregende Zeit. Mit Kommilitonen und anderen ausländischen Studenten war ich sehr viel unterwegs: Jedes Wochenende gab es mindestens eine Party bei den internationalen Studenten, und einmal die Woche trafen sich die europäischen Studenten in der European Student Association, wo ich während des zweiten Semesters Schriftführerin war und als Mitglied des "Fun Committee" Ausflüge und Feste organisiert habe. Ein anderes Kommittee veranstaltete regelmäßig Kurzvorträge über verschiedene europäische Länder. Daneben genoss ich es sehr, einfach in der Mittagspause auf dem Campus im Freien unter den schönen, mit Irish Moss behangenen alten Eichen zu sitzen.

Genossen habe ich zudem die vortreffliche Küche Louisianas, die durch französische und karibische Einflüsse gekennzeichnet ist. Meine Lieblingsgerichte waren Seafood Gumbo, eine Art würziger Eintopf mit Meeresfrüchten, Stuffed Crab (gefüllter Krebs) und in Schale gebackene Kartoffeln, mit saurer Sahne und Kräutern gefüllt oder als Beilage in Schnitzen vom Blech serviert. Einen Überblick über typische Gerichte findet man auf einem Auszug aus der Speisekarte des "Chimes", eines Pubs mit Restaurant, das sich auf regionale Gerichte spezialisiert hat und darüber hinaus auf Grund seiner gemütlichen Atmosphäre ein beliebter Treffpunkt der internationalen Studenten an der LSU war. Meist aber haben wir uns mittags in der Mensa oder in der Cafeteria der LSU Union getroffen, wo das Essen hervorragend war, wenn auch teurer als beispielsweise in Heidelberg - das war allerdings vor der kräftigen Erhöhung der Mensa-Preise vor einigen Jahren. Es gibt sogar einen Kaffee aus Baton Rouge, den "Community Coffee", der auch noch gut schmeckt, wenn man ihn nach europäischen Maßstäben dosiert. Eisbecher findet man leider trotz des heißen Wetters in Louisiana nicht, abgesehen vom Zentrum New Orleans', sondern nur "iced coffee" und "iced tea", also gekühlten Kaffee und Tee mit Eiswürfeln. Will man heißen Tee trinken, muss man selbst morgens ausdrücklich "hot tea" bestellen, sonst wird automatisch Eistee serviert.

auf einer Bank auf der LSU-Union-Terrasse
auf der Terrasse der LSU Union
 

Das subtropische Klima Louisianas ist nicht jedermanns Sache. Im Sommer ist es sehr heiß, so heiß, dass einem nach dem Duschen bereits nach wenigen Minuten wieder überall der Schweiß klebt, und es bildet sich eine Feuchtigkeit, die bis zum Nachmittag oder frühen Abend zunimmt und sich dann in einem gewaltigen Regenguss entlädt. Man kann sich aber an die Hitze gewöhnen; als wirklich unerträglich empfand ich nur einen Tag, an dem der übliche Platzregen ausblieb. Ansonsten fand ich es herrlich, während der meisten Monate des Jahres ohne Jacke draußen sitzen zu können; einige der lateinamerikanischen Studenten hielten während der Mittagshitze sogar ihre Siesta. Die meisten Amerikaner dagegen zogen sich vollständig in die klimatisierten Räume zurück, wobei die Gebäude umso kühler waren, je mehr Geld und Prestige eine Fakultät besaß. Beispielsweise war das CEBA, in dem die BWL- und VWL-Vorlesungen abgehalten wurden, immer regelrecht unterkühlt. Daher hatten sich meine Kommilitonen eher an diese für die Jahreszeit unnatürliche Kälte angepasst, und insbesondere die Undergraduate students erschienen in Shorts und T-Shirt zum Unterricht, während ich Jeans und Strickjacke trug. Im Winter regnete es dagegen häufig über den ganzen Tag verteilt sehr viel, und ich war froh, über die Weihnachtsferien nach Mexiko fahren zu können.

Bestätigt hat sich für mich der Ruf der Service-Kultur der USA, denn die Angestellten in den Geschäften waren fast durchweg deutlich freundlicher als in Deutschland. Gewöhnungsbedürftig war allerdings die reine Marktwirtschaft, die auch im Campus-Laden praktiziert wurde, so dass zum Beispiel die Schirmpreise an Regentagen deutlich angehoben wurden. Andererseits erhält man aber innerhalb von einer Stunde einen Telefonanschluss.

Tipps zur Vorbereitung

Noch bevor man sich um eine Wohnung und Fortbewegungsmittel (siehe oben) kümmert, empfiehlt es sich, sich möglichst schnell beim Postamt auf dem Campus ein Postfach (P.-O.-Box) zu mieten, damit man sofort eine Adresse vorweisen kann, selbst wenn man noch keine Wohnung gefunden hat. Dies ist auch wichtig, wenn man ein Bankkonto eröffnen will.

Allen Austauschstudenten nach Baton Rouge empfehle ich darüber hinaus, beim Akademischen Auslandsamt der Uni Heidelberg die Berichte von Uwe Morres und Andreas Jäckle einzusehen, die noch wesentlich mehr nützliche Hinweise enthalten. Beispielsweise habe ich die Tipps, Geld in Form von Travellerchecks und eine Kreditkarte mitzubringen, beherzigt; beides wird in den USA wie Bargeld gehandhabt, man kann sogar Postkarten damit bezahlen. Darüber hinaus wurden in Baton Rouge auch Schecks der lokalen Banken für Kleinbeträge angenommen, was sehr vorteilhaft ist, wenn man vergessen hat, Geld abzuheben und nicht extra an einen Geldautomaten fahren will. Auch der Empfehlung, rechtzeitig anzureisen, um genügend Zeit für die Suche und Einrichtung eines Zimmers oder einer Wohnung zu haben, sollte man unbedingt folgen, wenn man das Semester in Ruhe beginnen will. Uwe hat mir darüber hinaus seine Dias von Baton Rouge gezeigt und mir den Kontakt zu Harald Leder, dem damaligen Präsidenten der Organisation der internationalen Studenten und zugleich einem ehemaligen Heidelberger Stipendiaten (heute ist er Direktor des International Cultural Center), vermittelt, der mich bei meiner Ankunft in Baton Rouge vom Flughafen abholte und mir für die ersten Tage eine Übernachtungsmöglichkeit bei einer anderen Studentin aus Deutschland organisiert hatte. Infos zu den einzelnen Universitäten in den USA sowie Vorbereitungsmaterial für den TOEFL-Test erhält man beim Deutsch-Amerikanischen Institut Heidelberg.

Und unbedingt die Gebrauchsanweisung für Amerika von Paul Watzlawick lesen! Dies erwies sich schon kurz nach meiner Ankunft als nützlich, als ich mir bewusst wurde, dass ich den Buchstaben "z" versehentlich als "zed" statt "zi" buchstabiert hatte. Neben unzähligen weiteren praktischen Tipps stellt dieses Buch auch eine nette Glosse über die amerikanische Mentalität dar.

Reisetipps für die USA

Baton Rouge bietet als Stadt nur wenige Sehenswürdigkeiten. Interessanter fand ich das Umland, die Sumpfgebiete um die Bayous (Seitenarme des Mississippi), und etwas weiter entfernt einige Plantagen im neoklassichen Stil, deren Einrichtungen und Gärten man besichtigen kann, beispielsweise Nottaway bei Whitecastle, das als Vorbild für das Herrenhaus in "Vom Winde verweht" diente, und Houmas House bei Burnside zwischen Baton Rouge und New Orleans. Auch Baton Rouge selbst hat eine kleine Plantage, die Magnolia Mound Plantation, die man besichtigen kann. Und natürlich fuhr ich immer wieder nach New Orleans, das mit seiner schönen Altstadt und seinen Jazzclubs im French Quarter, dem ursprünglichen französischen Kern der Stadt, eine der interessantesten Städte der USA darstellt.

Bayou in der Dämmerung Garten von Houmas House Schaukelstuhl
Bayou bei Baton Rouge im Garten von Houmas House auf der Terasse von Nottaway
 
Straße in New Orleans Villa
New Orleans: French Quarter New Orleans: Garden District

Mehr Informationen über Louisiana liefern folgende Seiten:

Außer einigen Tagen in New Orleans verbrachte ich zwei Wochenenden sowie die Spring Break in Florida. Zweimal war ich in Pensacola im Norden Floridas, denn dort findet man wunderschöne Strände, und man braucht dorthin von Baton Rouge aus nur etwa vier Stunden. Neben Pensacola habe ich unter anderem die Everglades, einen Naturpark, in dem man noch die ursprüngliche Sumpflandschaft Floridas erleben kann, sowie die Florida Keys, die Inselgruppe zwischen den USA und Kuba, besucht. Auf den Keys gibt es nicht nur schöne Sandstrände und gutes Essen wie insbesondere ausgezeichnete Fischgerichte - lohnenswert ist allein schon die Fahrt auf den schmalen Trassen von Insel zu Insel, auf denen Meer und Himmel zu verschmelzen scheinen, so dass das ganze Blickfeld einer einzigen blauen Fläche ähnelt.

am Strand   Gewitterstimmung
Strand von Pensacola, Florida Everglades im März

In den Weihnachtsferien war ich mit zwei der internationalen Studenten in Mexiko, und nach Abschluss des Sommersemesters habe ich mit Freunden eine fünfwöchige Tour mit Mietwagen und Zelt durch die Weststaaten der USA unternommen. Zum Abschluss meines USA-Aufenthaltes besuchte ich noch Verwandte in Chicago und hatte das Glück, dort die Nacht des 4. Juli am Lake Michigan mitzuerleben, wo sich schon am frühen Abend eine riesige Menschenmenge auf dem Rasen versammelte. Von dort konnte man bei Einbruch der Dunkelheit unzählige kleine, mit bunten Lichterketten geschmückte Boote beobachten, die auf dem Wasser hin- und herschaukelten, und hatte später einen guten Blick auf das gewaltige Feuerwerk, dass die Stadt zur Feier der amerikanischen Unabhängigkeit veranstaltete.

Stadtzentrum von Chicago   in Chicago am 4. Juli 1993
Chicago: Stadtzentrum 4. Juli 1993

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Verantwortlich: Jutta Walz.
Letzte Änderung am 26.3.2003.
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